Auf Spiegel Online fand sich heute ein Artikel über
Bewerbungsabsagen mit der Überschrift: „Brennen Sie eigentlich für unser Unternehmen?“.
Viele Personaler stellen diese Frage - in der einen oder anderen Variante - wirklich
und bringen damit den Bewerber in grosse Rechtfertigungsprobleme. Warum gerade
unser Unternehmen? Was erwarten Sie von uns? Letztere Frage ist zwar noch legitim mit Blickrichtung darauf, was der Bewerber in der konkreten Positon in
dem betreffenden Unternehmen für die Zukunft erwartet. Die andere Frage jedoch
zwingt die meissten Bewerber geradezu zu heucheln, herumzuschwurbeln, Märchen
zu erzählen. „Es war schon immer mein Traum in einer nach Fett riechenden
Grossküche bei mässiger Bezahlung im Schichtbetrieb Bulletten zu braten und so
Teil von etwas ganz Grossem zu sein“. Oder wie?
Die Antwort ist doch simpel, zunächst einmal „Ich brauche
einen Job!!!“
„Wie sind sie darauf gekommen sich gerade bei uns zu
bewerben?“ – Weil die Position in einer Suchmaschine aufgetaucht ist!!
Wer nicht gerade am Anfang seiner Karriere steht (und für
den somit noch nicht der Filter „Alterssgruppe passt nicht“ gilt) oder über
solch atemberaubende Abschlüsse verfügt, dass er sich die Stellen aussuchen
kann (ohne als überqualifiziert zu gelten), kann eben zunächst einmal nicht
wählerisch sein, wenn er einen Job sucht und womöglich noch eine Familie zu ernähren
hat. Da zeugt die Frage nach dem „Warum gerade wir“, jedenfalls in dieser Form,
doch eher von Arroganz (Wir sind ein so atemberaubend, wahnsinnig super
Arbeitgeber, bei dem zu arbeiten sich natürlich jeder Mensch erträumt,
allerdings nehmen wir nicht jeden Hanswurst von der Strasse…) oder von völliger Realitätsferne, was die Situation eines durchschnittlichen Bewerbers angeht..
Wird die Frage z.B. so formuliert, dass danach gefragt wird,
was den Bewerber an der Ausschreibung, dem Unternehmen oder der Position
angesprochen hat, geht sie in die richtige Richtung, nämlich nach dem Interesse
des Bewerbers zu forschen und nicht vorausszusetzen, dass der Bewerber nachgerade
Jahre darauf gewartet hat, dass genau dieses Unternehmen endlich eine Position
für Ihn ausschreibt.
Aber wehe der Bewerber sagt tatsächlich, dass er zunächst
einmal einen Job sucht, sich über entsprechende Suchmaschinen informiert,
die Ausschreibung dort gesehen und dann beworben hat, wobei er sich zugleich
auch auf die anderen 12 in Frage kommenden Stellen beworben hat. Dann wird der Personaler vermutlich
anfangen etwas verkniffen zu gucken, die Arme vor dem Oberkörper verschränken (Vorsicht, ablehnende Haltung) und das Gespräch respektvoll aber
zügig beenden.
Es wird vom Bewerber erwartet nicht mit typischen, klischeehaften
Antworten zu kommen. Gleichzeitig wird er typischen, klischeehaften Fragen
ausgesetzt.
Es wird viel zu viel psychologisiert (welche Farbe haben Krawatte,
Hemd und Anzug, wie ist Bein und Armhaltung, wo sind die Hände, wie ist die Gesichtsmimik….).
Dabei stellt sich natürlich die Frage, welche Aussagekraft solche „Gesten“
tatsächlich haben. Tatsächlich entsteht hierdurch eine unnatürliche
Gesprächsatmosphäre, in der jeder den anderen in der einen oder anderen, eher
verdeckten Art belauert – oder zumindest befürchtet, belauert zu werden.
Natürlich muss sich der Bewerber bereits bei der Bewerbung für das Unternehmen oder zumindest für die
Position interessieren. Natürlich muss er sich auf das Gespräch vorbereiten und
die Antwort alleine „Ich brauch nen Job“ reicht eben nicht zur Begründung. Die betreffenden
Fragen sollten jedoch so gestellt werden, dass sie dem Bewerber die Chance geben,
sich tatsächlich im Allgemeinen und Besonderen zu erklären und nicht den Eindruck erwecken, man werde entweder ausgetrickst oder soll
sich bereits jetzt in Lobhudeleien über das Unternehmen ergehen.
In der Regel steckt ein Bewerber viel Zeit und Mühe in eine
Bewerbung, die im Optimalfall natürlich individuell auf die betreffende
Ausschreibung verfasst ist. Darum kann man im mindesten einen respektvollen,
verständnisvollen aber natürlich auch ehrlichen Umgang mit jedem Bewerber
und jeder Bewerbung erwarten.